Medien stehen unter wirtschaftlichem Druck. Eine Folge: Journalisten berichten über Themen, bei denen ihnen oft das Fachwissen fehlt. Darauf sollten sich Kommunikationsabteilungen einstellen.
Die Krise der traditionellen Medien hat für viele Verlagshäuser existenzbedrohende Ausmaße angenommen. Die verkaufte Gesamtauflage aller Tageszeitungen in Deutschland hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert. Und der Trend ist ungebrochen. Landauf, landab teilen die Medienhäuser ihre Leserschaft in Altersgruppen ein und rechnen mit Sterbetafeln aus, was das für ihre Abonnentenzahlen bedeutet. Mit blankem Entsetzen stellte eine der größten Zeitungen Deutschlands dieses Jahr intern fest, dass mittlerweile 54 Prozent ihrer Print-Leserschaft mindestens 70 Jahre alt ist. Die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell sind absehbar. Und die digitalen Zuwächse stopfen in fast keinem Verlag jene Löcher, die wegbrechende Print-Einnahmen reißen.
Die Anzeichen für den Niedergang sind vielfältig und mit Händen zu greifen. Für Aufsehen sorgte beispielsweise die Einstellung der „Wiener Zeitung“ vor nicht einmal einem Jahr. Die einstige Zeitungs-Ikone überlebte 320 Jahre, zwölf Präsidenten und zehn Kaiser. Die aktuelle Medienkrise überlebte sie nicht.
Auch an höchst aktuellen Beispielen herrscht kein Mangel. Seit ein paar Tagen etwa müssen sich die Abonnenten des „Tagesspiegel“ und der „Berliner Morgenpost“ umstellen. Die gedruckten Sonntagsausgaben landen nicht mehr in ihren Briefkästen. Die Funke Mediengruppe gab mit Blick auf die „Berliner Morgenpost“ freimütig zu: „Eine robuste wirtschaftliche Perspektive für die Sonntagsausgabe haben wir nicht mehr gesehen, sonst hätten wir die Einstellungsentscheidung nicht getroffen.“
All das kommt nicht aus dem Nichts. In einer seiner letzten Reden als Verbandspräsident der Zeitungsverleger klagte selbst Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner, übermäßig steigende Preise für Gas, Strom und Papier stellten die Existenz vieler Medienhäuser in Frage. Obendrein stehe die „wertvolle Infrastruktur der Pressezustellung aufgrund kaum darstellbarer Lohnkosten in vielen Teilen Deutschlands vor dem Aus“. In den Verlagshäusern gibt es rot gefärbte Deutschlandkarten, wo die Pressezustellung bereits zusammengebrochen ist.
In der Fachzeitschrift „Wirtschaftsjournalist“ bilanzierte der damalige Chefredakteur Wolfgang Messner die Lage schon Ende 2022 wie folgt: „Die Branche hat eine lange Leidenszeit hinter sich. Viele Arbeitsplätze wurden abgebaut. In den Medienhäusern jagt eine Umstrukturierung die nächste. Mit der Krise sank seit Jahren das Lohn- und Gehaltsniveau. Nun fehlen gute Leute und auch der Nachwuchs.“
Womit wir bei einem der wichtigsten Themen dieser Tage für professionelle Kommunikatoren sind. Es ist natürlich viel zu kurz gedacht, dass die guten Leute und der Nachwuchs nur dem Journalismus fehlen. Sie fehlen auch den Kommunikatoren in den Firmen und Verbänden als Ansprechpartner.
Ja, es gibt noch die alten Hasen und jungen Talente, die bestens vorbereitet kommen und tief recherchieren. Der Normalfall ist aber ein anderer: Typisch ist, dass sich der Journalist kaum vorbereitet hat und wenig bis keine Ahnung vom Geschäft hat.
So gibt es definitiv Korrespondenten reichweitenstarker Medienhäuser, die über die Quartalsberichte großer Konzerne schreiben, jedoch Bilanzen nicht mal ansatzweise lesen können. Umsatz und Nachsteuergewinn sind noch bekannt, Ebitda und Risikobericht hingegen nicht. Solange der Artikel später dennoch positiv ist, stört das Kommunikatoren nicht. Falls der Text aber negativ ist oder vor Fehlern nur so wimmelt, sieht das anders aus. Jemandem mit wenig Zeit und Ahnung erklären zu müssen, was er falsch gemacht hat und bitte ändern soll, ist mühsam. Der Einsatz eines Medienanwalts hilft meist bei falschen Tatsachenbehauptungen, hinterlässt aber immer verbrannte Erde und sollte deshalb vermieden werden, wenn es nur irgend geht.
Besser ist die richtige Vorbereitung. Gute Vorbereitung erspart Nacharbeit. Um der schwierigen Lage im Journalismus gerecht zu werden, empfehle ich:
a) Seien Sie freundlich! Selbst wenn der Journalist wenig Zeit und wenig Ahnung hat. Auch wenn er sich nicht vorbereitet hat und kritische Fragen stellt. Verständnis für die Nöte und Arbeitsbedingungen der anderen Seite zählen zur Grundlage einer respektvollen Zusammenarbeit.
b) Denken Sie immer daran: Sie wollen etwas vom Journalisten. Nur in sehr seltenen Fällen ist es umgekehrt.
c) Bauen Sie persönliche Beziehungen zu den für Sie relevanten Journalisten auf. Die Nachricht des vertrauten Sprechers wird zumindest gelesen und nicht sofort gelöscht.
d) Bereiten Sie sich und Ihren CEO vor! Überlegen Sie, welche Überschrift Sie lesen möchten. Und welche Botschaften Ihnen diese Überschrift bringt. Überlegen Sie sich im Vorfeld ein bis drei Kernbotschaften, unterlegen Sie sie mit Fakten und Argumenten, griffigen Zitaten und Beispielen.
e) Erklären Sie komplizierte Dinge verständlich. Aktuell bereite ich ein Medienevent vor, bei dem eine millionenteure neue Maschine vorgestellt wird. Dafür erarbeiten wir ein Schaubild, in dem die einzelnen Arbeitsschritte der Maschine haargenau und leicht verständlich erklärt werden. Ein Journalist mit wenig Zeit wird sie im Zweifel eins zu eins übernehmen.
f) Lassen Sie Ihren CEO trainieren! Selbst absolute Profis wie die Bewerber um die amerikanische Präsidentschaft oder die deutsche Kanzlerschaft bereiten sich auf Interviews und Auftritte akribisch vor. Sie heuern dazu externe Trainer an, weil das interne Feedback meist zu positiv ausfällt.
Zu einer professionellen Medienarbeit zählt auch, keine Massenmails zu mittelwichtigen Ereignissen zu versenden. Im Kampf um die Aufmerksamkeit der weniger werdenden Journalisten müssen professionelle Kommunikatoren extrem gute Themenangebote machen, um damit durchzudringen. Statistisch belastbare Erhebungen gibt es hierzu nicht. Aus meinen Jahren als Ressortleiter kann ich aber berichten, dass unter den täglich rund 150 E-Mails an mich etwa zehn Themenangebote waren, von denen ich höchstens auf ein oder zwei eingegangen bin.
Diese scharfe Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Journalisten bedeutet, dass Unternehmen und Agenturen genau planen müssen, in welchem Medium sie wen mit welchem Thema ansprechen – und wann. Sie brauchen eine klare Botschaft mit hohem Nachrichtenwert. Der „Küchenzuruf“ muss stimmen. In der Journalistik gibt es dafür Nachrichtenfaktoren wie die räumliche und thematische Nähe zum Leser oder auch die Prominenz der Protagonisten. „Unser Unternehmen ist jetzt noch nachhaltiger“ ist für einen Journalisten keine Nachricht, sondern Marketing-Müll.
Denn auch wenn sich gerade viel in der Medienlandschaft ändert, die Relevanzkriterien sind nahezu unverändert. „Focus“-Chefredakteur Georg Meck sagte in einem KOM-Interview kürzlich: „Wir wollen Geschichten, die ein breites Interesse hervorrufen.“ Bekannte Marken seien hilfreich, bekannte Köpfe auch. Vor allem aber müsse es relevant sein. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Christoph Schäfer
+491601679721