Die Stunde der Kommunikation | Brunswick Group

Die Stunde der Kommunikation

Krisenkommunikation als Marathon

Die Gesellschaft in Deutschland steht nach wie vor erst am Anfang der Corona-Krise, aber schon jetzt ist klar: Bis die Dinge wieder ihren gewohnten Gang gehen, wird es noch dauern. Selbst wenn die aktuellen Maßnahmen zur Verlangsamung der Pandemie früher beendet werden können als im Moment befürchtet, bleibt ungewiss, was danach kommt.

Unternehmen, die sich derzeit mit aller Macht gegen die Abwärtsspirale stemmen, können die langfristigen Auswirkungen der Lage im Moment kaum absehen. Aller Voraussicht nach werden die globale und damit auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft in eine deutliche Rezession rutschen. Auch wenn wir also die Pandemie selbst unter Kontrolle bekommen, ihre politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden uns länger begleiten.

Was bedeutet das für die Unternehmenskommunikation? Um eine gerne zitierte Formel zu bemühen: Krisenkommunikation muss als Marathon, nicht als Sprint angelegt werden. Das ist es, worauf sich Kommunikatoren (und das schließt die Führungsriege in Unternehmen explizit mit ein) in nächster Zeit einstellen müssen. Es stimmt: In jeder Hinsicht haben wir es mit einer Krise zu tun, in der die klassischen Regeln der Krisenkommunikation die Richtschnur guter Kommunikation vorgeben: Schnelligkeit, Transparenz, Ehrlichkeit, Entschlossenheit, Empathie. Vor allem letztere kann angesichts der harten Einschnitte und Ungewissheiten, die diese neue Realität für so viele mit sich bringt, gar nicht oft genug betont werden. Derzeit leidet jeder in der einen oder anderen Weise.

Was diese Krise jedoch einzigartig macht, ist, dass sie – und damit auch die Notwendigkeit für Krisenkommunikation – bis auf Weiteres zum Dauerzustand werden wird. Im Moment gilt es, alle Energie zu investieren, um das unmittelbare Krisenmanagement zu vermitteln, während sich die Ereignisse täglich überschlagen. Doch auch wenn diese akute Phase überstanden ist: Eine Rückkehr zum kommunikativen „business as usual“ wird es für die meisten Unternehmen vorerst nicht geben.

Aus der Sicht von Unternehmen sind deshalb zwei Grundüberlegungen wichtig. Erstens: Was kann ich gerade für die Gesellschaft tun? Zweitens: Was kann ich für meine Mitarbeiter tun?

Diese Einsichten machen den Weg frei für vier Leitgedanken, die bei der kommunikativen Bewältigung der Krise Orientierung geben können.

  1. Das Gebot der Stunde heißt Regelmäßigkeit – und zwar gegenüber allen Partnern und auf allen Kanälen. Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer, Shareholder: Alle diese Anspruchsgruppen haben im Moment ein Recht darauf, mit direktem Draht auf dem Laufenden gehalten zu werden. Gerade jetzt darf es keinen Raum für Spekulationen oder Interpretationen geben. Angesichts der zu erwartenden Dauer der Krise müssen sich die Kommunikatoren darauf einstellen, dass der Takt vorerst hoch bleiben wird und muss, um alle Interessengruppen umfassend anzusprechen.

  2. Hören Sie zu. Wirklich zuzuhören, wenn beispielsweise Beschäftigte oder Zulieferer darüber berichten, was sie nachts wachhält, ist das Fundament empathischer Kommunikation. Kommunikation ist niemals eine Einbahnstraße. Das gilt gerade in Krisenzeiten. Mit offenem Geist und ohne Vorverurteilung zuzuhören, ist nicht einfach. Unternehmen sollten jedoch alles daransetzen, einen regelmäßigen Austausch mit den wichtigsten Stakeholder-Gruppen zu etablieren, um sich deren Input aktiv abzuholen. Klassische Dogmen - etwa dass persönliche „Befindlichkeiten“ am Arbeitsplatz oder in Besprechungen nichts verloren haben - sind jetzt ebenso fehl am Platz, wie vermeintlich motivierende Botschaften nach dem Gießkannenprinzip. Die derzeitige Krise betrifft und fordert jedermann. Die Unternehmenskommunikation muss dem Rechenschaft tragen – nach innen wie nach außen.

  3. Finden Sie eine zugängliche, verständliche Sprache. Treffen Sie den richtigen Ton. Die derzeitige Informationsschwemme durch Fachleute, die im Moment den gesellschaftlichen Diskurs dominieren, kann für den einen oder anderen überwältigend sein. Nicht jeder fühlt sich dem gewachsen. Gerade die Unternehmenskommunikation muss hier eine Übersetzungsfunktion leisten. Deshalb ist es wichtig, mit unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Eine zugängliche Sprache heißt aber nicht, Fakten und Komplexität zu unterschlagen. Vielmehr muss es darum gehen, alle mitzunehmen und Klarheit zu schaffen. Übersetzen Sie das Gehörte in empathische Botschaften und versetzen Sie sich in andere hinein.

  4. Leben Sie Flexibilität. Die Herausforderungen der Krise werden sich verändern, die gebotenen Maßnahmen ebenso. Unternehmenskommunikation in Zeiten von Corona muss abbilden, dass momentan vieles im Fluss ist. Fehleinschätzungen sollten ehrlich erläutert, scheinbare Widersprüche offen adressiert und neue Entscheidungen erklärt werden. Immer und immer wieder. Nur so können Kommunikatoren sicher gehen, dass der Faden nicht abreißt und die wichtigste Währung nicht verspielt wird: Vertrauen.

Viel war in den vergangenen Jahren von gesellschaftlicher Verantwortung und „Purpose“ die Rede. In diesen Zeiten gilt es, den Anstand zu wahren und zu zeigen, dass das wirklich ernst gemeint war. Widerstehen Sie als Unternehmen und Kommunikator der Versuchung, die derzeitige Situation auszunutzen, um vor dem Hintergrund der Pandemie Maßnahmen zu verkünden, die sich mit gesellschaftlich verantwortlichem Unternehmertum nicht vereinbaren lassen und die zum jetzigen Zeitpunkt nicht vermittelbar wären. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft, und das wird nach der Krise ein Guthaben sein.