G-BA News Service 22.09.2023 | Brunswick Group

G-BA News Service 22.09.2023

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Arzneimittel

Orphan Drug Pitolisant bei Narkolepsie: Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen

Der Wirkstoff Pitolisant [Handelsname: Wakix®, Hersteller: Bioprojet Deutschland] ist als Orphan Drug in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung der Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie bei Jugendlichen und Kindern ab einem Alter von 6 bis 17 Jahren. In den Studiendaten zeigte sich in der Morbiditätskategorie im Endpunkt übermäßige Tagesschläfrigkeit ein Vorteil gegenüber Placebo. Dieser Vorteil spiegelte sich allerdings nicht in anderen Endpunkten wider. Daten zur Lebensqualität wurden nicht erhoben. In der Kategorie Nebenwirkungen zeigten sich keine Nachteile gegenüber Placebo. In der Gesamtschau vermag der G-BA – auch aufgrund der mit neun Wochen als kurz eingeschätzten Studiendauer – das Ausmaß des Zusatznutzens nicht zu quantifizieren. Im Ergebnis stellte der G-BA einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen von Pitolisant gegenüber Placebo fest, weil die wissenschaftliche Datengrundlage eine Quantifizierung nicht zulässt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Dupilumab bei Ösophagitis: Zusatznutzen nicht belegt

Der Wirkstoff Dupilumab [Handelsname: Dupixent®, Hersteller: Sanofi-Aventis] ist in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung der eosinophilen Ösophagitis (einer allergieähnlichen Entzündungsreaktion in der Speiseröhre) bei Patientinnen und Patienten ab 12 Jahren mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg, die mit einer konventionellen medikamentösen Therapie unzureichend therapiert sind, diese nicht vertragen oder für die eine solche Therapie nicht in Betracht kommt. Als zweckmäßige Vergleichstherapie (zVT) wurde vom G-BA eine Therapie nach ärztlicher Maßgabe unter Auswahl von Budesonid sowie Protonenpumpeninhibitoren (PPI) bestimmt. Der pharmazeutische Unternehmer legte die Daten einer Studie vor in der Dupilumab gegenüber Placebo bei Patienten verglichen wurde, die zuvor auf eine Therapie mit Hochdosis-PPI versagt hatten. Es war nicht erlaubt, dass allen Patienten Budesonid regelhaft zur Verfügung steht. Zudem mussten die Teilnehmer, die im Screening auf PPI versagt hatten, ihre PPI-Hochdosistherapie während der gesamten Studie unverändert fortsetzten. Die übrigen Teilnehmer hatten keinen Zugang zu PPI. Das Vorgehen in der Studie entspreche damit nach Ansicht des G-BA weder der zweckmäßigen Vergleichstherapie noch den Leitlinienempfehlungen zur Behandlung der eosinophilen Ösophagitis. Da die zVT nicht umgesetzt wurde, lagen dem G-BA keine bewertungsrelevanten Daten vor. Der Zusatznutzen gilt entsprechend als nicht belegt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Dupilumab bei atopischer Dermatitis bei Kindern: Anhaltpunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen

Der Wirkstoff Dupilumab ist in einem weiteren neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung von schwerer atopischer Dermatitis bei Kindern von 6 Monaten bis 11 Jahren, die für eine systemische Therapie in Betracht kommen. In der Nutzenbewertung betrachtete der G-BA den Nutzen für Kinder im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren. Eine Differenzierung der Patientengruppen erfolgte hinsichtlich der Ähnlichkeit des Krankheitsbildes gegenüber Erwachsenen. Für Kinder, deren Krankheitsbild dem von Erwachsenen hinreichend ähnlich ist, sieht der G-BA einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen. Dieser basiert auf einer Evidenzübertragung von Studiendaten von Erwachsenen im Alter von 18 bis 40 Jahren, die möglich war, da sich keine altersabhängige Effektmodifikation der Therapie gezeigt hatte. Positive Effekte zeigten sich (für Erwachsene) in den Morbiditätsendpunkten Juckreiz, Schlafstörungen, patientenberichtete Symptomatik, Verbesserung des PASI-Scores sowie in der Endpunktkategorie Lebensqualität. Dem gegenüber stand ein nachteiliger Effekt in der Kategorie Nebenwirkungen. Für Kinder, deren Krankheitsbild dem von Erwachsenen nicht hinreichend ähnelt, war eine Evidenzübertragung nicht möglich. Zudem lagen für diese Patienten keine für die Nutzenbewertung ausreichend geeigneten Daten vor. Hier gilt ein Zusatznutzen als nicht belegt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Dulaglutid bei Diabetes mellitus Typ-2: Zusatznutzen nicht belegt

Der Wirkstoff Dulaglutid [Handelsname: Trulicity®, Hersteller: Lilly Deutschland] ist zugelassen zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen ab 10 Jahren mit unzureichend kontrolliertem Typ 2-Diabetes mellitus unterstützend zu Diät und Bewegung als Monotherapie – wenn die Einnahme von Metformin wegen Unverträglichkeit oder Kontraindikationen nicht angezeigt ist – sowie zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung des Diabetes mellitus. Für die Bewertung des Zusatznutzen gegenüber der vom G-BA bestimmten zVT existieren keine geeigneten Studien. Auch weitere vom Hersteller vorgelegte Daten waren u.a. aufgrund einer nicht adäquat umgesetzten Vergleichstherapie für die Bewertung nicht geeignet. Im Ergebnis sieht der G-BA einen Zusatznutzen als nicht belegt an.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Darolutamid bei Prostatakarzinom: Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen

Der Wirkstoff Darolutamid [Handelsname: Nubeqa®, Hersteller: Bayer Vital] ist in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Männern mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom in Kombination mit Docetaxel und einer Androgendeprivationstherapie. Neben einem deutlichen Vorteil im Endpunkt Gesamtüberleben zeigten sich auch im Bereich der Morbidität bei den Endpunkten symptomatische skelettale Ereignisse und stärkster Schmerz Vorteile für Darolutamid. Daten für die Lebensqualität lagen nicht vor. Bei den Nebenwirkungen zeigten sich keine bewertungsrelevanten Unterschiede. Im Ergebnis sieht der G-BA einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Olaparib bei gynäkologischen Tumoren: Zusatznutzen nicht belegt

Der Wirkstoff Olaparib [Handelsname: Lynparza®, Hersteller: AstraZeneca] ist zugelassen zur Erhaltungstherapie von Erwachsenen mit fortgeschrittenem (FIGO-Stadien III und IV) BRCA1/2-mutierten (in der Keimbahn und/oder somatisch), high-grade epithelialen Ovarialkarzinom, Eileiterkarzinom oder Peritonealkarzinom, die nach einer Platin-basierten Erstlinien-Chemotherapie ein Ansprechen (vollständig oder partiell) haben. Es handelt sich um Neubewertung nach Fristablauf. In der Erstbewertung vom Januar 2020 konnte ein Zusatznutzen nicht belegt werden. An diesem Ergebnis hat die Neubewertung nichts geändert. Der Hersteller hatte Studiendaten aus einem Vergleich gegenüber Placebo vorgelegt – der G-BA hatte als zVT jedoch Niraparib bestimmt. Somit waren die Daten nicht geeignet, einen Zusatznutzen gegenüber der zVT nachzuweisen. Der Zusatznutzen gilt als nicht belegt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Esketamin bei Depression: Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen

Der Wirkstoff Esketamin [Handelsname: Spravato®, Hersteller: Janssen-Cilag] ist zugelassen in Kombination mit einem Selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder mit Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SNRI) bei Erwachsenen mit therapieresistenter Major Depression, die in der aktuellen mittelgradigen bis schweren depressiven Episode auf mindestens zwei unterschiedliche Therapien mit Antidepressiva nicht angesprochen haben. Es handelt sich um eine Neubewertung nach Fristablauf. In der Erstbewertung im August 2021 hatte der G-BA einen Zusatznutzen als nicht belegt eingestuft. Anhand neuer Daten sieht der G-BA nun hingegen einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen. In der Kategorie Morbidität zeigten sich Vorteile von Esketamin in den Endpunkten Remission und Ansprechen, bei der allgemeinen depressiven Symptomatik, beim Gesundheitszustand und für die funktionale Remission zu Woche 32. Keine relevanten Unterschiede fanden sich für den Endpunkt Suizidalität. In der Kategorie Lebensqualität zeigten sich ebenfalls Vorteile. Dies gilt gleichfalls für die Kategorie Nebenwirkungen, wo Vorteile für Esketamin in Bezug auf die Abbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen beobachtet wurden. Dem gegenüber standen aber auch Nachteile bei den spezifischen unerwünschten Ereignissen. Die Aussagesicherheit der Nachweise stuft der G-BA als „Anhaltspunkt“ ein, was durch das hohe Verzerrungspotential bei offenem Studiendesign und subjektiver Endpunkterhebung sowie durch den hohen Anteil nach Studienabbruch ersetzter Werte begründet ist.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Orphan Drug Luspatercept bei β-Thalassämie/Anämie: Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen

Der Wirkstoff Luspatercept [Handelsname: Reblozyl®, Hersteller: Bristol-Myers Squibb] ist in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit Anämie, die mit nicht-transfusionsabhängiger Beta-Thalassämie verbunden ist. Luspatercept hat zwar

Orphan-Drug-Status. Da das Arzneimittel die Umsatzschwelle von 30 Millionen Euro bereits in anderen Indikationen überschritten hat, erfolgte auch in diesem Verfahren eine reguläre Nutzenbewertung. In den klinischen Daten konnte ein Vorteil im Morbiditätsendpunkt patientenberichtete Symptomatik gezeigt werden. Für die gesundheitsbezogene Lebensqualität zeigten sich weder Vor- noch Nachteile. Im Bereich der Nebenwirkungen zeigten sich sowohl geringfügige Vor- wie auch Nachteile. In der Gesamtschau sieht der G-BA basierend auf den Vorteilen in den Endpunkten zur patientenberichteten Symptomatik einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Rucaparib bei gynäkologischen Tumoren: Zusatznutzen nicht belegt

Der Wirkstoff Rucaparib [Handelsname: Rubraca®, Hersteller: zr pharma&] ist zugelassen zur Erhaltungstherapie von Erwachsenen mit fortgeschrittenem (FIGO-Stadien III und IV) BRCA1/2-mutierten (in der Keimbahn und/oder somatisch), high-grade epithelialen Ovarialkarzinom, Eileiterkarzinom oder Peritonealkarzinom, die nach einer Platin-basierten Erstlinien-Chemotherapie ein Ansprechen (vollständig oder partiell) haben. Es handelt sich um eine Neubewertung nach Fristablauf. Im ersten Bewertungsverfahren im August 2019 hat der G-BA keinen Zusatznutzen festgestellt. Für die Neubewertung hat der Hersteller kein Dossier eingereicht. Entsprechend der gesetzlichen Regelung gilt ein Zusatznutzen damit als nicht belegt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Verschiedenes

Klarstellung zu OTC-Arzneimitteln – Verschreibungspflichtige Packungsgrößen können wirtschaftlich sein

Durch eine Anpassung des §12 Absatz 11 der Arzneimittel-Richtlinie stellt der G-BA klar, dass bei Arzneimitteln mit gleichem Wirkstoff, gleicher Wirkstärke und identischem Anwendungsgebiet, wenn eine ausreichende Versorgung durch nicht verschreibungspflichtige Packungsgrößen nicht gewährleistet ist, eine Verordnung verschreibungspflichtiger Packungsgrößen wirtschaftlich sein kann. Diese Situation gibt es zum Beispiel in der Wirkstoffklasse der Triptane in der Migränebehandlung.

 

Befristung für Ravulizumab aufgehoben / Befristung für Andexanet alfa verlängert

Der G-BA hat mit Beschluss vom 20. April 2023 über das Ergebnis der Nutzenbewertung von Ravulizumab entschieden. Die Geltungsdauer des Beschlusses wurde ursprünglich bis zum 1. November 2023 befristet, um aufgrund einer Änderung der zVT im laufenden Verfahren eine Möglichkeit für den Hersteller zu schaffen, ein neues Dossier einzureichen. Diese Befristung hat der G-BA nun aufgehoben, nachdem der Hersteller mitgeteilt hat, dass er kein neues Dossier einreichen wird. Für den Wirkstoff Andexanet alfa, der als Gegenmittel zur Antikoagulation eingesetzt wird, war der Beschluss zur Nutzenbewertung ursprünglich zum 1. November 2023 befristet. Der G-BA hat die Befristung nun verlängert zum 1. August 2024. Hintergrund ist eine Verlängerung der benötigten Studiendauert für die derzeit laufende Studie gegenüber der vom G-BA bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie.

 

Neuroblastom bei Kindern und Jugendlichen – G-BA lässt Vierfachkombination im Off-Label-Use bewerten

Der G-BA beauftragte die Expertengruppe Off-Label mit einer Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Einsatz der Vierfachkombination der Wirkstoffe Temozolomid, Irinotecan, Sirolimus und Dasatinib in der Behandlung des Neuroblastoms bei Kindern und Jugendlichen. Aktueller Anlass sind positive Ergebnisse der Studie RIST-rNB-2011. Sie untersuchte die Wirkung der Vierfachkombination bei Kindern und Jugendlichen mit rezidiviertem oder refraktärem Neuroblastom. Diese Ergebnisse soll die Expertengruppe sichten und einordnen. Auf dieser Basis wird der G-BA entscheiden, ob ein Off-Label-Use der Vierfachkombination zur regulären GKV-Leistung wird.

Etwa 150 Kinder und Jugendliche erkranken in Deutschland jährlich an einem Neuroblastom. Die bösartige Erkrankung des Nervensystems ist damit die zweithäufigste Krebserkrankung bei Kindern. Bei der Hochrisiko-Variante des Neuroblastoms liegt die Gesamtüberlebensrate unter 30 Prozent. Die Vierfach-Wirkstoffkombination kann derzeit nur im Einzelfall im Off-Label-Use zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden.

 

Methodenbewertung

Mammographie-Screening künftig auch für Frauen von 70 bis 75 Jahren

Der G-BA hat die obere Altersgrenze für die Teilnahme am Früherkennungsprogramm auf Brustkrebs angehoben. Zukünftig können auch Frauen im Alter von 70 bis 75 Jahren alle zwei Jahre am Mammographie-Screening teilnehmen. Damit sind bis zu drei zusätzliche Röntgen-Mammographien möglich. Aufgrund der dafür notwendigen Vorbereitungen sieht der G-BA eine Übergangslösung vor: Die neu anspruchsberechtigten Frauen erhalten vorerst keine persönliche Einladung, können sich aber voraussichtlich ab dem 1. Juli 2024 selbst für einen Untersuchungstermin anmelden.

Ausführliche Informationen finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.

Erprobung zur Methode Stentretriever zur Behandlung des Vasospasmus zerebraler Arterien nach Subarachnoidalblutung eingestellt

Aufgrund erheblicher methodischer Herausforderungen und ethischer Probleme hat der G-BA das Verfahren zum Aufsetzen einer Erprobungsstudie für die Methode Stentretriever zur Behandlung des Vasospasmus zerebraler Arterien nach Subarachnoidalblutung eingestellt. Eine Studie wäre nicht praktikabel und eine Randomisierung ethisch nicht zu rechtfertigen gewesen.

Kaltplasma-Behandlung von chronischen Wunden: Herstellerkonsortium zur Finanzierung der Erprobung bereit

Der G-BA bereitet derzeit eine Erprobungsstudie der Methode Kaltplasmabehandlung von chronischen Wunden vor. Nun hat sich ein Konsortium aus verschiedenen Herstellern der entsprechenden Medizinprodukte bereit erklärt, die Studie zu finanzieren und ermöglicht damit deren Umsetzung. Das Konsortium muss nun eine unabhängige wissenschaftliche Institution finden, die die Studie wissenschaftliche begleitet und die Ergebnisse auswertet.

 

Ihre Ansprechpartner Hubert Kümper, Nina Jungcurt und Sascha Müller.

 

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