G-BA News Service 18.01.2024 | Brunswick Group

G-BA News Service 18.01.2024

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Arzneimittel

Lumacaftor/Ivacaftor bei zystischer Fibrose bei Kleinkindern: Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen

Die Wirkstoffkombination Lumacaftor/Ivacaftor [Handelsname: Orkambi®; Hersteller: Vertex Pharmaceuticals] ist in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung der zystischen Fibrose (CF, Mukoviszidose) bei Patientinnen und Patienten ab einem Jahr, die homozygot für die F508del-Mutation im Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator-(CFTR)-Gen sind. Für die Nutzenbewertung der nun betrachteten Kinder im Alter zwischen ein und zwei Jahren führte der G-BA einen Evidenztransfer aus vorliegenden Studiendaten von Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren (G-BA Beschluss am 18.03.2022) sowie Kindern von sechs bis zwölf Jahren (G-BA Beschluss vom 02.08.2018) durch. Analog zu den vorherigen Bewertungen sieht der G-BA einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Mirikizumab bei Colitis ulcerosa: Zusatznutzen nicht belegt

Der Wirkstoff Mirikizumab [Handelsname: Omvoh®, Hersteller: Lilly Deutschland] ist neu zugelassen zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa, die auf eine konventionelle Therapie oder eine Biologika-Behandlung unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder eine Unverträglichkeit zeigen. Der G-BA unterschied in der Nutzenbewertung zwischen Patienten, die auf eine konventionelle Therapie nicht angesprochen haben, sowie Patienten, die auf eine Behandlung mit einem anderen Biologikum nicht angesprochen oder dieses nicht vertragen haben. In beiden Fällen sieht der G-BA einen Zusatznutzen als nicht belegt an. In den vorgelegten Studiendaten hatten sich keinerlei Vorteile für den neuen Wirkstoff gegenüber den Vergleichstherapien (ebenfalls biologische Arzneimittel) gezeigt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Orphan Drug Ivosidenib bei akuter myeloischer Leukämie: Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen

Der Wirkstoff Ivosidenib [Handelsname: Tibsovo®, Hersteller: Servier Deutschland] ist als Orphan Drug zugelassen in Kombination mit Azacitidin zur Behandlung Erwachsener mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML) mit einer IDH1-R132-Mutation, die für eine Standard-Induktionschemotherapie nicht geeignet sind. Die vorliegenden Studiendaten, eine randomisierte, kontrollierte Phase-3 Studie, konnten einen deutlichen Vorteil von Ivosidenib plus Azacitidin gegenüber Placebo plus Azacitidin im Endpunkt Gesamtüberleben von 29,3 Monaten gegenüber 7,9 Monaten (Medianwerte) zeigen. In den anderen Endpunktkategorien Morbidität, gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie Nebenwirkungen fanden sich darüber hinaus keine relevanten Unterschiede. Dennoch misst der G-BA der deutlichen Verbesserung im Gesamtüberleben einen großen Stellenwert zu und sieht in der Gesamtschau einen Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen – die höchstmögliche Bewertungskategorie.

Pressemitteilung des G-BA.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Orphan Drug Ivosidenib bei Cholangiokarzinom: nicht quantifizierbarer Zusatznutzen

Der Wirkstoff Ivosidenib [Handelsname: Tibsovo®, Hersteller: Servier Deutschland] ist in einem weiteren Anwendungsgebiet neu zugelassen in Kombination mit Azacitidin zur Behandlung Erwachsener mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Cholangiokarzinom (CCA, Gallenkrebs) mit einer IDH1-R132-Mutation, die zuvor bereits mit mindestens einer systemischen Therapie behandelt worden sind. Auch in diesem Fall lagen Daten einer randomisierten, kontrollierten Phase-3-Studie vor. Allerdings zeigte sich in diesem Fall kein Vorteil im Endpunkt Gesamtüberleben. Aufgrund mangelnder Rückläuferquoten lagen keine verwertbaren Daten für die weiteren Endpunktkategorien wie Morbidität und gesundheitsbezogene Lebensqualität vor. Im Ergebnis sieht der G-BA aufgrund der gesetzlichen Regelungen zu Orphan Drugs einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen, weil die wissenschaftliche Datengrundlage eine Quantifizierung nicht zulässt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Dimethylfumarat bei schubförmig remittierender MS: Zusatznutzen nicht belegt

Der Wirkstoff Dimethylfumarat [Handelsname: Tecfidera®, Hersteller: Biogen] ist in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen ab 13 Jahren mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose. Der G-BA hatte im laufenden Verfahren kurzfristig die zweckmäßige Vergleichstherapie geändert. Aufgrund dieser kurzfristigen Änderung lagen im eingereichten Nutzendossier keine verwertbaren Daten vor, weshalb der G-BA einen Zusatznutzen als nicht belegt ansieht. Der G-BA befristete diesen Beschluss daher zum 1. Juli 2024, um dem Hersteller die Möglichkeit zu geben, ein neues Dossier einzureichen.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Verschiedenes

Keine Austauschbarkeit für Everolimus ≤ 1mg

Arzneimittel mit dem Wirkstoff Everolimus in der Dosierung bis 1 mg sind künftig vom Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel ausgeschlossen. Der G-BA bezieht sich mit seiner Entscheidung auf den Einsatz des Wirkstoffes zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen. In solchen Fällen sollen die Patienten keine potenziellen Risiken durch einen Wechsel der Medikation entstehen.

Neue Festbetragsgruppe für Glucocorticoide

Der G-BA hat eine neue Festbetragsgruppe für Glucocorticoide in einer Dosierung >5mg in der Stufe 2 (pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe) gebildet. Parallel bleibt das Verfahren für die Bildung einer Festbetragsgruppe für Glucocorticoide mit einer Wirkstoffmenge ≤ 5mg weiterhin ausgesetzt.

STIKO-Empfehlung zur Impfung gegen Dengue umgesetzt

Der G-BA hat die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) zu Impfungen gegen das Dengue-Virus in die Schutzimpfungs-Richtlinie aufgenommen. Die STIKO empfiehlt den Impfstoff Qdenga nur Personen (≥ 4 Jahren), die in der Vergangenheit eine labordiagnostisch gesicherte Dengue-Virusinfektion durchgemacht haben als Reiseimpfung vor Reisen in Dengue-Endemiegebiete mit erhöhtem Ansteckungsrisiko (z. B. bei längerem Aufenthalt oder aktuellem Ausbruchsgeschehen) oder bei gezielten Tätigkeiten mit Dengue-Viren (z. B. in Forschungseinrichtungen oder Laboratorien) außerhalb von Endemiegebieten (siehe Epidemiologisches Bulletin 48/2023).

Reguläre Nutzenbewertung für Brentuximab Vedotin

Der G-BA hat ein aktuell laufendes Nutzenbewertungsverfahren für den Orphan-Drug-Wirkstoff Brentuximab Vedotin in einem neuen Anwendungsgebiet (Hodgkin-Lymphom, CD30+, Stadium III, Erstlinie) vorläufig ausgesetzt. Das Arzneimittel hat die 30-Millionen-Euro Umsatzschwelle überschritten. Der Hersteller muss nun ein reguläres Nutzendossier einreichen, das anschließend vom IQWiG bewertet wird.

Befristung zur Nutzenbewertung von Ibrutinib aufgehoben

Der G-BA hat die Befristung des am 1. April 2021 getroffenen Beschlusses zur Nutzenbewertung von Ibrutinib in Kombination mit Rituximab in der Indikation zur Behandlung Erwachsener mit nicht vorbehandelter chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) aufgehoben, da entgegen früheren Erwartungen nicht mehr mit bewertungsrelevanten zusätzlichen Erkenntnissen aus einer laufenden Studie zu rechnen sei.

 

Bedarfsplanung

Nicht-Änderung der Zentrumsregelung für Kinderonkologie-Zentren

Auf Antrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) diskutierte der G-BA über eine Änderung der Zentrums-Regelungen bezüglich der Regelungen zu den Standorten für Kinderonkologie. Bislang dürfen Kinderonkologie-Zentren maximal zwei Kilometer entfernt vom onkologischen Zentrum liegen, um Teil des Zentrums zu sein. Die DKG forderte eine Ausweitung der möglichen Entfernung auf bis zu 15 Kilometer. Dies sei im Falle der Kinderonkologie möglich, da diese medizinische Disziplin ein in sich abgeschlossenes Gebiet darstelle, das nur wenig Austausch mit den anderen Disziplinen am Zentrum erfordere. Der GKV-Spitzenverband stellte sich dieser Änderung entgegen. Mit sieben zu sechs Stimmen (ausschlaggebend war die Stimme des unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Professor Josef Hecken) konnte sich der GKV-Spitzenverband durchsetzen, sodass hier keine Änderung der bestehenden Regelung herbeigeführt wurde.

 

Methodenbewertung

Zahnschmelzhärtung: Fluoridlack wird Kassenleistung für alle Kinder unter sechs Jahren unabhängig vom Kariesrisiko

Künftig ist das Auftragen von Fluoridlack zur Zahnschmelzhärtung für alle Kinder unter sechs Jahren eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch besteht künftig unabhängig davon, ob das Kariesrisiko als hoch eingeschätzt wird oder nicht. Bisher gab es für den Schutz des Milchgebisses je nach Altersgruppe unterschiedliche Regelungen: Bis zum 33. Lebensmonat spielte das Kariesrisiko keine Rolle. Zwischen dem 34. Lebensmonat und dem vollendeten 6. Lebensjahr war hingegen noch ein hohes Kariesrisiko die Voraussetzung dafür, dass die Milchzähne zweimal pro Kalenderhalbjahr mit Fluoridlack geschützt werden konnten.

 

Computertomographie-Koronarangiographie zur Diagnose bei Verdacht auf eine chronische koronare Herzkrankheit wird neue ambulante Kassenleistung

Soll in Arztpraxen der Verdacht auf eine chronische koronare Herzkrankheit abgeklärt werden, kann dafür bei gesetzlich Versicherten künftig die Computertomographie-Koronarangiographie (CCTA) eingesetzt werden. Die CCTA ist eine nicht-invasive bildgebende Methode, mit der die Herzkranzarterien dargestellt werden, um dort Verengungen oder Verschlüsse zu finden. Der G-BA hat den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung auf Basis von aussagekräftigen Studien um die CCTA erweitert. Die ambulante CCTA kann voraussichtlich ab Herbst 2024 genutzt werden, sobald der Bewertungsausschuss eine Vergütungsregelung im Rahmen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs festgesetzt hat.

Ausführliche Informationen zum Beschluss finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.

 

Qualitätssicherung

Ambulante Psychotherapie: Erprobung eines Verfahrens zur Beurteilung der Versorgungsqualität

Ab 2025 wird in Nordrhein-Westfalen erprobt, wie die Versorgungsqualität in der ambulanten Psychotherapie gemessen und beurteilt werden kann. Der regional begrenzte Testlauf ist aus Sicht des G-BA notwendig, bevor das neue datengestützte Qualitätssicherungsverfahren zur ambulanten Psychotherapie bundesweit etabliert wird. Über einen Zeitraum von sechs Jahren wird nun geprüft, ob die vorgesehenen technischen, organisatorischen und inhaltlichen Aspekte bereits aussagekräftig sind. Das Qualitätssicherungsverfahren muss geeignet sein, in einem guten Aufwand-Nutzen-Verhältnis belastbare Aussagen zur Versorgungsqualität zu gewinnen und Verbesserungsbedarfe aufzuzeigen.

Das QS-Verfahren für die ambulante psychotherapeutische Versorgung wurde vom Gesetzgeber beauftragt. Es soll das Antrags- und Gutachterverfahren für die ambulante Psychotherapie, das bisher vor Beginn einer Therapie verpflichtend ist, ablösen.

Ausführliche Informationen zum Beschluss finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.

 

Veranlasste Leistungen

Neue Leistung: Verordnung von Krankenfahrten durch Krankenhäuser im Rahmen der tagesstationären Behandlung

Für tagesstationäre Behandlungen im Krankenhaus können Krankenhäuser künftig Krankenfahrten verordnen sofern für die erbrachte Leistung auch im ambulanten Bereich eine Krankentransportfahrt erstattungsfähig ist. Mit dem Beschluss zu dieser neuen Leistung setzte der G-BA eine gesetzliche Regelung gemäß § 115e Absatz 2 Satz 3 SGB V um.

 

Keine intensivierte Sprechtherapie bei Stottern

Der G-BA hat mit Beschluss vom 17. Februar 2022 das Beratungsverfahren zur Überprüfung der Heilmittel-Richtlinie mit Blick auf eine intensivierte Sprechtherapie bei der Indikation Störungen des Redeflusses (Stottern) eingeleitet. Das Verfahren wurde heute nun mit einer Nicht-Änderung der Richtlinie abgeschlossen, da sich im Laufe des Verfahrens auf Basis der aktuellen Erkenntnisse kein ausreichend gerechtfertigter Zusatznutzen gezeigt hatte.

 

Psychotherapie und psychiatrische Versorgung

Neue Kassenleistung: Systemische Therapie künftig auch bei Kindern und Jugendlichen

Die Systemische Therapie steht künftig auch für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung. Der G-BA hat heute die entsprechende Änderung der Psychotherapie-Richtlinie beschlossen. Für Erwachsene ist das Verfahren Systemische Therapie bereits seit dem Jahr 2020 eine Kassenleistung. Die Systemische Therapie ist ein Psychotherapieverfahren, das insbesondere die sozialen Beziehungen innerhalb einer Familie oder Gruppe in den Blick nimmt. Die Therapie fokussiert dementsprechend darauf, die Interaktionen zwischen Mitgliedern von solchen „Systemen“ zu verändern beziehungsweise ihnen eine funktionalere Selbstorganisation der Patientin oder des Patienten entgegenzusetzen. Sie kann – wie die anderen psychotherapeutischen Verfahren auch – als Einzel- oder Gruppentherapie oder in Kombination von Einzel- und Gruppentherapie angeboten werden. Als spezifische Anwendungsform der Systemischen Therapie ist zudem das „Mehrpersonensetting“ möglich: dabei werden relevante Bezugspersonen der Patientin oder des Patienten in die Behandlung einbezogen.

Ausführliche Informationen zum Beschluss finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.

 

Ihre Ansprechpartner Hubert Kümper, Nina Jungcurt und Sascha Müller.

 

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