G-BA News Service 15.06.2023 | Brunswick Group

G-BA News Service 15.06.2023

Der gesamte Newsletter steht hier zum Download zur Verfügung.

 

Arzneimittel

Latanoprost/Netarsudil bei Offenwinkelglaukom oder okulärer Hypertension: Zusatznutzen nicht belegt

Die Wirkstoffkombination Latanoprost/Netarsudil [Handelsname: Roclanda®; Hersteller: Santen] ist zugelassen zur Senkung von erhöhtem Augeninnendruck bei Erwachsenen mit primärem Offenwinkelglaukom oder okulärer Hypertension, bei denen eine Monotherapie mit einem Prostaglandin oder Netarsudil eine unzureichende Augeninnendrucksenkung bewirkt. Das Offenwinkelglaukom ist eine Erkrankung, bei der der Druck im Augeninneren unter anderem zu einer Schädigung der Nerven im Inneren des Auges führt, was bis zu einer Erblindung führen kann. Auf Basis der vom Hersteller eingereichten Studiendaten sieht der G-BA in den Endpunkt-Kategorien Mortalität, Morbidität und Lebensqualität keine signifikanten Unterschiede gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. In der Endpunktkategorie Nebenwirkungen sieht der G-BA sogar Nachteile beim Auftreten unerwünschter Ereignisse. Diese würden aber die Patienten nicht zusätzlich beeinträchtigen, weshalb der G-BA keine Herabstufung begründet sieht. In der Gesamtschau sieht der G-BA einen Zusatznutzen als nicht belegt an.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Risankizumab bei Morbus Crohn: Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen

Der Wirkstoff Risankizumab [Handelsname: Skyrizi®; Hersteller: AbbVie] ist in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit mittelschwerem bis schwerem aktivem Morbus Crohn, die auf eine konventionelle Therapie oder ein Biologikum unzureichend angesprochen, diese(s) nicht vertragen haben oder nicht mehr darauf ansprechen. In der Bewertung unterschied der G-BA zwischen Patienten, die auf konventionelle Therapien nicht angesprochen oder diese nicht vertragen haben sowie Patienten, die auf eine Therapie mit biologischen Arzneimitteln nicht angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Vergleichende Daten gegenüber der Vergleichstherapie Ustekinumab hatte der Hersteller nur für die zweite Patientengruppe vorgelegt. Auf Basis dieser Daten sieht der G-BA Vorteile bei krankheitsbezogenen Endpunkten wie klinischer Remissionen, Darmsymptomatik sowie in der Endpunktkategorie Lebensqualität. Für dieses Anwendungsgebiet leitet der G-BA einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen ab. Für die erste Patientengruppe gilt der Zusatznutzen als nicht belegt. Aufgrund von Unsicherheiten (hoher Anteil fehlender Werte, teilweise nicht konforme Verabreichung der Vergleichstherapie, teilweise fehlende Verblindung) sieht der G-BA nur einen Anhaltspunkt. Der G-BA befristete den Beschluss zum 01. August 2028, da bis zu diesem Zeitpunkt weitere relevante Studienergebnisse erwartet werden.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Orphan Drug Sutimlimab bei Kälteagglutinin-Krankheit: Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen

Der Wirkstoff Sutimlimab [Handelsname: Enjaymo®; Hersteller: Sanofi-Aventis] ist als Orphan Drug zugelassen zur Behandlung der hämolytischen Anämie bei Erwachsenen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD). Kälteagglutinine sind bestimmte Antikörper des Immunsystems, die bei niedrigen Temperaturen wirksam werden und zur Zerstörung der roten Blutkörperchen (Hämolyse) und damit einer Blutarmut (Anämie) führen können. Mögliche Symptome während einer akuten Krise sind schwere Schmerzen im Rücken und in den Beinen, Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall und dunkler Urin. Der G-BA konnte trotz der Seltenheit der Erkrankung auf vergleichende Studiendaten aus einer Studie zurückgreifen. Ergänzend wurden Daten aus einer weiteren, allerdings einarmigen Studie berücksichtigt. Aus den vergleichenden Daten ergibt sich insbesondere ein signifikanter Vorteil im Morbiditätsendpunkt Fatigue zu Gunsten von Sutimlimab. In den weiteren Endpunkten fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede. In der Gesamtschau sieht der G-BA einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Bictegravir/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid zur HIV-Behandlung von Kindern- und Jugendlichen: Zusatznutzen nicht belegt

Die Wirkstoffkombination Bictegravir/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid [Handelsname: Biktarvy®; Hersteller: Gilead Sciences] ist in einem weiteren Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung einer Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) 1 bei Erwachsenen und bei Kindern ab einem Alter von 2 Jahren und mit einem Körpergewicht von mindestens 14 kg. Bei dem HI-Virus dürfen weder aktuell noch in der Vergangenheit Resistenzen gegen die Klasse der Integrase-Inhibitoren, Emtricitabin oder Tenofovir nachgewiesen worden sein. In der Bewertung unterschied der G-BA vier Patientengruppen (therapienaive Kinder in den Altersgruppen 2-5 Jahre, 6 bis 11 Jahre sowie 12 bis 17 Jahre, sowie therapieerfahrene Kinder und Jugendliche). Der Hersteller hatte für keine der genannten Patientengruppen Daten vorgelegt, die eine Bewertung gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ermöglicht hatten. Entsprechend gilt der Zusatznutzen als nicht belegt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Zanubrutinib bei CLL: geringer Zusatznutzen für einige Patienten

Der Wirkstoff Zanubrutinib [Handelsname: Brukinsa®; Hersteller: BeiGene] ist neu zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit nicht vorbehandelter chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) sowie in einem weiteren Anwendungsgebiet zur Behandlung von Erwachsenen mit rezidivierter und/oder refraktärer CLL.

Für nicht vorbehandelte Patienten (1st-Line) unterschied der G-BA noch einmal zwei Gruppen. Für Patienten ohne Vorliegen genetischer Risikofaktoren, für die eine Therapie mit Fludarabin + Cyclophosphamid + Rituximab (FCR) nicht geeignet ist, sieht der G-BA einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen. Dieser resultiert vor allem aus Vorteilen in der Endpunktkategorie Nebenwirkungen, die auf einen geringeren Schaden aufgrund von Nebenwirkungen hindeuten. Für einige Patientensubgruppen zeigten sich darüber hinaus kleinere Vorteile bei patientenberichteten Morbiditäts- und Lebensqualität-Endpunkten.

Für alle übrigen Patienten in der Erstlinienbehandlung sieht der G-BA hingegen einen Zusatznutzen als nicht belegt an, da der Hersteller für diese Patienten keine geeigneten Daten vorgelegt hatte.

In einem weiteren Beschluss bewertete der G-BA den Nutzen für vorbehandelte Patienten mit rezidivierter und/oder refraktärer CLL. Auch hier fällt die Bewertung differenziert nach Subgruppen aus. Für Patienten, die noch keinen BTK-Inhibitor und/oder BCL2-Inhibitor erhalten haben, sieht der G-BA einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen. Auch in diesem Fall begründet sich der zusätzliche Nutzen vor allem durch das geringere Auftreten von Nebenwirkungen. Für alle anderen Patienten (Vortherapie mit mindestens einem BTK-Inhibitor und/oder mindestens einem BCL2-Inhibitor) legte der Hersteller keine bewertungsrelevanten Daten vor. Für diese Patientengruppe gilt ein Zusatznutzen entsprechend als nicht belegt.

Beschluss / Tragende Gründe (CLL 1st-Line)

Beschluss / Tragende Gründe (rezidivierte/refraktäre CLL)

 

Zanubrutinib bei Marginalzonenlymphom: Zusatznutzen nicht belegt

Der Wirkstoff Zanubrutinib [Handelsname: Brukinsa®; Hersteller: BeiGene] ist in einem weiteren neuen Anwendungsgebiet zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit Marginalzonenlymphom (MZL), die mindestens eine vorherige Therapie mit einem Anti-CD20-Antikörper erhalten haben. Das MZL ist eine Krebserkrankung des lymphatischen Systems. Der Hersteller hatte lediglich Daten aus einer armigen Studie vorgelegt, die für eine Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht geeignet waren. Der Zusatznutzen gilt entsprechend als nicht belegt.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Abemaciclib bei Mammakarzinom: Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen

Der Wirkstoff Abemaciclib [Handelsname: Verzenios®; Hersteller: Lilly] ist unter anderem zugelassen zur Behandlung von Hormonrezeptor(HR)-positivem, HER2-negativem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs in Kombination mit einem Aromatasehemmer. Der G-BA hatte mit Beschluss vom 2. Mai 2019 über die Nutzenbewertung von Abemaciclib in diesem Anwendungsgebiet entschieden (Zusatznutzen nicht belegt) und die Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2022 befristet. In der Neubewertung zeigten sich nun sowohl Vor- wie auch Nachteile. Einer statistisch signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens standen Nachteile bei der Krankheitssymptomatik gegenüber. In seiner Abwägung gewichtete der G-BA den Überlebensvorteil aber als höher ein. Im Ergebnis sieht der G-BA einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Biosimilar-Substitution: G-BA regelt Austauschbarkeit von Biologika-Zubereitung

Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel (Biologika) spielen bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder in der Krebstherapie eine immer wichtigere Rolle – nicht nur medizinisch, sondern auch hinsichtlich der Kostenanteile bei den Arzneimittelausgaben. Wegen der finanziellen Relevanz hat der G-BA nun im Auftrag des Gesetzgebers die Austauschbarkeit bei ärztlich verordneten Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln mit biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen in Apotheken geregelt. Bei solchen Zubereitungen handelt es sich um zumeist patientenindividuell von Apotheken hergestellte Infusions- oder Injektionslösungen, die der Patientin oder dem Patienten unmittelbar in der ärztlichen Praxis verabreicht werden. Die Hinweise des G-BA für eine wirtschaftliche ärztliche Verordnungsweise von Biologika gelten bereits seit November 2020.

Für die Herstellung von parenteralen Zubereitungen mit biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln sollen Apotheken wirkstoffbezogen ein preisgünstiges Produkt auswählen. Steht ein Arzneimittel mit Rabattvertrag der Krankenkasse der oder des Versicherten zur Verfügung, ist damit die Wirtschaftlichkeit sichergestellt und ein weiterer Kostenvergleich ist dann nicht notwendig.

Wesentliche Voraussetzung für den Austausch gegen ein preisgünstiges Produkt ist, dass das ärztlich verordnete mit dem von der Apotheke verarbeiteten Fertigarzneimittel mindestens in denselben Applikationsarten übereinstimmt. Zudem ist eine Übereinstimmung mindestens für die Anwendungsgebiete des verordneten Fertigarzneimittels notwendig. Eine Ersetzung kann grundsätzlich im Verhältnis eines Referenzarzneimittels zu seinen Biosimilars sowie zwischen Biosimilars untereinander erfolgen, sofern diese mit Bezug auf dasselbe Referenzarzneimittel zugelassen sind. Die Anlage VIIa der Arzneimittel-Richtlinie – eine Übersicht über die Zusammenhänge der in Deutschland zugelassenen Biologika sowie deren Biosimilars – dient dabei den Apotheken als eine Grundlage zur Austauschentscheidung. Diese besteht bereits seit März 2022 und wird von Seiten des G-BA fortlaufend aktualisiert.

Weitere Informationen finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.

Beschluss / Tragende Gründe

 

Verbandmittel: Nicht-formstabile Produkte zur Wundbehandlung können künftig nur noch gegen Nutzennachweis verordnet werden

Der G-BA hat klargestellt, dass halbfeste bis flüssige, also „nicht formstabile“ Zubereitungen zur Wundbehandlung keine Verbandmittel sind. Denn solchen Medizinprodukten – beispielsweise in Form von Gelen, Lösungen oder Emulsionen – fehlen die Haupteigenschaften von Verbandmitteln, eine Wunde abzudecken und/oder Wundflüssigkeit aufzusaugen. Diese Produkte sind deshalb den sogenannten sonstigen Produkten zur Wundbehandlung zuzuordnen. Nach dem Willen des Gesetzgebers können sie ab Dezember 2023 nur noch dann verordnet werden, wenn der G-BA im Einzelfall den medizinischen Nutzen auf Antrag von Herstellern positiv bewertet hat. Ziel ist es, die Qualität und Wirtschaftlichkeit bei der Wundversorgung zu stärken. Anträge zu konkreten Produkten prüft der G-BA innerhalb von 90 Tagen. Der G-BA hat mit seinem Beschluss erstmals ein Beispiel für eine Produktgruppe benannt, deren Vertreter keine Verbandmittel sind, sondern zu den sonstigen Produkten zur Wundbehandlung zählen. Hintergrund waren entsprechende Nachfragen.

In weiteren Verfahren berät der G-BA über die Einordnung weiterer Produktgruppen, zum Beispiel honighaltigen Wundauflagen.

Professor Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender der G-BA, sprach sich im Zusammenhang mit diesem Beschluss dafür aus, den Herstellern betroffener Produkte ein gesetzliches Beratungsrecht beim G-BA zu gewähren, damit die Hersteller über die konkreten Studiendesigns mit dem G-BA beraten können, bevor die entsprechenden Studien aufgesetzt werden. Analog dazu unterstützt Hecken eine Verlängerung der Übergangsfrist um einige Monate.

Weitere Informationen und Hintergründe finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.

Lifestyle-Arzneimittel: Aktualisierung

Der G-BA hat die Anlage II zur Arzneimittel-Richtlinie zu sogenannten Lifestyle-Arzneimitteln aktualisiert. Die Aktualisierung umfasst die Änderungen von Namen, Wirkstoffen sowie neue Produkte aus nahezu allen betroffenen „Lifestyle“-Arzneimittelbereichen: zentral wirkende Abmagerungsmittel; Wirkstoffe gegen sexuelle Dysfunktion, Wirkstoffe zur Bekämpfung der Nikotinabhängigkeit, Wirkstoffe zur Förderung des Haarwuchses, Wirkstoffe zur Verbesserung des Aussehens.

 

Methodenbewertung

Ultraschallgesteuerter hoch-intensiver fokussierter Ultraschall bei hepatozellulären Karzinomen: Erprobung eingestellt

Mit Beschluss vom 16. März 2017 hatte der G-BA die Beratungen zu einer Erprobungs-Richtlinie zur Methode „Ultraschallgesteuerter hoch-intensiver fokussierter Ultraschall bei hepatozellulären Karzinomen“ aufgenommen. Heute der G-BA das Verfahren nun eingestellt. Es hatte sich herausgestellt, dass die benötigte Anzahl von Patienten für eine Erprobung nicht erreicht werden konnte und dies auch nicht in Aussicht steht.

Eine Erstattung der Methode in der vertragsärztlichen Versorgung ist daher bis auf Weiteres nicht möglich. Ein Einsatz der Methode in der stationären Versorgung ist aber aufgrund des Verbotsvorbehalts in diesem Sektor weiterhin gegeben.

 

Disease Management Programme

DMP für Frauen mit Brustkrebs aktualisiert

Derzeit nutzen ca. 172.000 an Brustkrebs erkrankte Frauen die Möglichkeit, sich in einem Disease-Management-Programm (DMP) strukturiert behandeln und in der Nachsorge unterstützen zu lassen. Die Anforderungen an DMP-Verträge hat der G-BA nun turnusgemäß an den aktuellen Stand des medizinischen Wissens angepasst. Er beschloss Ergänzungen und Änderungen zu allen Versorgungsaspekten. Grundlage war die Auswertung von insgesamt 26 medizinischen Leitlinien durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Die Änderungen im Detail finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.

 

Ihre Ansprechpartner Hubert Kümper, Nina Jungcurt und Sascha Müller.

 

Lesen Sie hier die weiteren Ausgaben des G-BA News Service.

Download (153 KB)