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Arzneimittel
Orphan Drug Maralixibat bei cholestatischem Pruritus bei Alagille-Syndrom: nicht quantifizierbarer Zusatznutzen
Der Wirkstoff Maralixibat [Handelsname: Livmarli®; Hersteller: Mirum Pharmaceuticals] ist als Orphan Drug zugelassen zur Behandlung des cholestatischen Pruritus bei Patientinnen und Patienten mit Alagille-Syndrom ab dem Alter von 2 Monaten. Das Alagille-Syndrom ist eine selten vorkommende Erbkrankheit, bei der es unter anderem zu einer Störung des Gallenabflusses kommen kann, die zu einem starken Juckreiz führen kann. Aus den vergleichenden Daten ergibt sich ein Vorteil in Morbiditätsendpunkten, jedoch keine signifikanten Unterschiede gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie im Bereich Mortalität und Lebensqualität. Die Endpunktkategorie Nebenwirkung konnte der G-BA abschließend nicht beurteilen. In der Gesamtschau hat die Vergleichsstudie laut G-BA aufgrund zu kurzer Studiendauer und mangelndem Vergleichsarm keine ausreichende quantitative Bewertung des Therapeutikums zugelassen, sodass der G-BA einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen qua Status als Orphan Drug attestiert hat.
(177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan bei Prostatakarzinom: Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen
Der Wirkstoff (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan [Handelsname: Pluvicto®; Hersteller: Novartis Radiopharmaceuticals] ist zugelassen in Kombination mit einer Androgendeprivationstherapie mit oder ohne Inhibition (Hemmung) des Androgenrezeptor-Signalwegs zur Behandlung von Erwachsenen mit progredientem PSMA-positivem, metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom, die zuvor mittels Inhibition des Androgenrezeptor-Signalwegs und taxanbasierter Chemotherapie behandelt wurden. Auf Basis der vom Hersteller eingereichten Studiendaten sieht der G-BA eine differenzierte Bewertung zwischen Erwachsenen für die Abirateron in Kombination mit Prednison oder Prednisolon, Enzalutamid oder Best-Supportive-Care die patientenindividuell geeignete Therapie darstellt sowie Erwachsenen, für die Cabazitaxel oder Olaparib die patientenindividuell geeignete Therapie darstellt. Für Patienten mit Prednison oder Prednisolon sieht der G-BA einen signifikanten Vorteil in den Endpunkt-Kategorien Mortalität, Morbidität und Nebenwirkungen. Verwendbaren Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität lagen nicht vor. In der Gesamtschau sieht der G-BA für diese Patientengruppe einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen. Für Patienten mit Cabazitaxel legte der Hersteller keine bewertungsrelevanten Daten vor. Für diese Patientengruppe gilt ein Zusatznutzen entsprechend als nicht belegt.
Olaparib in neuem AWG bei Prostatakarzinom: Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen bei BRCA1/2-Mutation
Der Wirkstoff Olaparib [Handelsname: Lynparza®; Hersteller: AstraZeneca] ist in einem neuen Anwendungsgebiet zugelassen in Kombination mit Abirateron und Prednison oder Prednisolon zur Behandlung von Erwachsenen mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom, bei denen eine Chemotherapie nicht klinisch indiziert ist. Auch bei dieser Bewertung sieht der G-BA eine differenzierte Bewertung zwischen Erwachsenen mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) bei denen eine Chemotherapie klinisch nicht indiziert ist und die keine vorherige Therapie des mCRPC erhalten haben (die eine BRCA-Mutation aufweisen bzw. nicht aufweisen) und Erwachsenen mit mCRPC, bei denen eine Chemotherapie klinisch nicht indiziert ist und die bereits eine vorherige Therapie des mCRPC erhalten haben. Bei Erwachsenen ohne vorherige Therapie des mCRPC und mit BRCA-Mutation zeigten sich Vorteile in den Endpunkt-Kategorien Mortalität, Morbidität und Lebensqualität. Dem gegenüber standen Nachteilen bei den Nebenwirkungen. In der Abwägung überwiegen für den G-BA aber die Vorteile deutlich. Im Ergebnis sieht der G-BA einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen bei BRCA-Mutation. Bei Erwachsenen ohne vorherige Therapie des mCRPC und ohne BRCA-Mutation (BRCA-Wildtyp) fanden sich in den Endpunkten Mortalität, Morbidität und Lebensqualität keine Anzeichen auf einen Zusatznutzen, jedoch Nachteile bei den Nebenwirkungen. Entsprechend gilt der Zusatznutzen als nicht belegt. Bei Erwachsenen, die bereits eine vorherige Therapie des mCRPC erhalten haben, legte der Hersteller keine bewertungsrelevanten Daten vor. Für diese Patientengruppe gilt ein Zusatznutzen entsprechend als nicht belegt.
Verschiedenes
β-Thalassämie: Weitere anwendungsbegleitende Datenerhebung für Exagamglogen Autotemcel
Der G-BA plant eine weitere anwendungsbegleitende Datenerhebung (AbD) für den Wirkstoff Exagamglogen Autotemcel [Hersteller: Vertex Pharmaceuticals]. Bereits am 1. Juni 2023 hatte der G-BA ein Verfahren zur Forderung einer AbD in der Behandlung der Sichelzellkrankheit beschlossen. Nun leitete der G-BA für Exagamglogen Autotemcel ein weiteres AbD-Verfahren für das Therapiegebiet der β-Thalassämie ein. Zunächst soll das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ein Konzept für eine mögliche AdD entwickeln.
Exagamglogen Autotemcel ist das erste genetische Zelltherapeutikum, das auf der CRISPR/Cas9-Technik beruht. Es handelt sich um eine Einmal-Infusion.
Befristung für Difelikefalin-Nutzenbewertung aufgehoben
Der Beschluss zur Nutzenbewertung von Difelikefalin vom 6. April 2023 war ursprünglich befristet zum 15. Oktober 2023. Hintergrund war eine Änderung der zweckmäßigen Vergleichstherapie im laufenden Verfahren. Durch die Befristung sollte der Hersteller Gelegenheit bekommen, ein neues Dossier einzureichen. Der G-BA hat die Befristung nun aufgehoben, da der Hersteller kein neues Dossier einreichen wird, weil keine für die Nutzenbewertung relevante Evidenz zur veränderten zweckmäßigen Vergleichstherapie vorliegt.
Nutzenbewertungsverfahren für MS-Medikament Dimethylfumarat wieder aufgenommen
Der Wirkstoff Dimethylfumarat [Handelsname: Tecfidera®, Hersteller: Biogen] hat am 13. Mai 2022 die Zulassung für ein neues Anwendungsgebiet erhalten: „Zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen ab 13 Jahren mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (MS).“ Der G-BA hat mit Beschluss vom 16. Juni 2022 das Verfahren der Nutzenbewertung jedoch vorläufig ausgesetzt. Hintergrund war ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union über die Verlängerung des Unterlagenschutzes von Tecfidera gegen das die EU-Kommission, die Europäische Arzneimittelagentur sowie der Hersteller Einspruch erhoben hatten. Ohne einen gültigen Unterlagenschutz entfällt die Rechtgrundlage für eine Nutzenbewertung von Tecfidera nach §35a SGB V, weshalb der G-BA das Bewertungsverfahren zunächst ausgesetzt hatte. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. März 2023, womit das Urteil des Gerichts der Europäischen Union aufgehoben und damit der bestehenden Unterlagenschutz für Tecfidera bestätigt wurde, hat der G-BA das Verfahren zur Nutzenbewertung nun wieder aufgenommen.
Nutzenbewertung für MS-Medikament endgültig Diroximelfumarat eingestellt
Vor demselben Hintergrund hatte der G-BA auch das Bewertungsverfahren für den Wirkstoff Diroximelfumarat [Handelsname: Vumerity®, Hersteller: Biogen] zur Behandlung von Erwachsenen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose mit Beschluss vom 16. Juni 2022 ausgesetzt, da auch hier Unklarheit über einen bestehenden Unterlagenschutz bestand. Für dieses Bewertungsverfahren hat der G-BA nun das Bewertungsverfahren jedoch gänzlich eingestellt. Hintergrund ist hier zwar ebenfalls das Urteil des Europäischen Gerichtshofs – jedoch gelangte der G-BA nach einer Überprüfung zu dem Schluss, dass es sich bei Diroximelfumarat um denselben Wirkstoff handelt wie Dimethylfumarat – womit kein weiteres Bewertungsverfahren benötigt werde (beide Stoffe sind sogenannte Pro-Drugs, die im Körper zu Monomethylfumarat umgewandelt werden - Details siehe Tragende Gründe).
Bedarfsplanung
Richtlinie zur Ersteinschätzung in der Notfallversorgung
Der G-BA hat Vorgaben für ein qualifiziertes und standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren in Notaufnahmen von Krankenhäusern definiert. Er beschloss Mindestanforderungen an das Verfahren, das digitale Assistenzsystem und die Qualifikation des beteiligten medizinischen Personals. Ziel des formulierten Einschätzungsverfahrens ist die schnelle und verlässliche Beurteilung des akuten Behandlungsbedarfs von Hilfesuchenden.
Das formulierte Ersteinschätzungsverfahren hält fest: Nur wenn ein sofortiger Behandlungsbedarf festgestellt wird, soll die Patientin oder der Patient ambulant im Krankenhaus behandelt oder stationär aufgenommen werden. Ansonsten soll die Behandlung grundsätzlich in der vertragsärztlichen Versorgung erfolgen. Der Beschluss sieht für die Krankenhäuser verschiedene Übergangsfristen vor, um beispielsweise das benötigte Personal weiterzubilden und ein digitales Assistenzsystem zu implementieren.
Professor Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, betonte im Zusammenhang des Beschlusses, dass es sich um einen wichtigen „Baustein für eine umfassende Reform der Notfallversorgung“ handle und das neue Verfahren sicherstellen werde, dass Hilfesuchende gut versorgt werden. Gleichzeitig betonte er, dass die Übergangsregelung eine gute Lösung darstellte, die auch den Bedenken der Krankenhäuser Rechnung trage.
Ausführliche Informationen finden Sie in der Pressemitteilung des G-BA.
Ihre Ansprechpartner Hubert Kümper, Nina Jungcurt und Sascha Müller.