Dossier Bundestagswahl 2021
Olaf Scholz ist Gewinner der Wahl. Ob er auch Bundeskanzler wird? Das entscheidet sich erst in den kommenden Wochen nach komplizierten Koalitionsverhandlungen.
Denn: Der Kanzler in Deutschland wird von einer Mehrheit des Parlaments gewählt. Wie jemand diese Mehrheit zustande bringt, bleibt seinem Verhandlungsgeschick überlassen. Anders als in vielen anderen Ländern, beauftragt nicht der Präsident eine Persönlichkeit mit der Regierungsbildung. Mehrere Varianten sind möglich, eine Mehrheit zu bilden. Deshalb wird in den kommenden Wochen ein unübersichtlicher politischer Basar mit Preisverhandlungen, Lockangeboten, kostenlosen Rabatten, Täuschungsmanövern und vertrauensbildenden Trinkabenden stattfinden – Ausgang offen.
Fest steht zu diesem Zeitpunkt nur: Die CDU/CSU, quasi die Staatspartei in Deutschland, erlitt eine historische Niederlage. Nach 16 Jahren Regentschaft von Angela Merkel wünschen ihr viele Wählerinnen und Wähler den Gang in die Opposition. Doch wird sie sich dagegen stemmen und versuchen, eine Mehrheit im Bundestag zu bilden.
Wahlsieger sind auch die Grünen. Sie haben ihr Wahlergebnis gegenüber 2017 nahezu verdoppelt. Darin spiegelt sich das gewachsene Bewusstsein für den Klimawandel in breiten Bevölkerungsschichten. Die meisten Menschen in Deutschland wollen schnellere Schritte auf dem Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Liberalen spielen erneut eine starke Rolle und werden in einer neuen Regierung die Kräfte für wirtschaftliche Erneuerung und technologische Entwicklung bündeln. Gemeinsam mit den Grünen werden sie darüber entscheiden, ob die Christdemokraten oder die Sozialdemokraten den Kanzler stellen werden.
Mit inneren Grabenkämpfen beschäftigt sind die Rechtspopulisten von der AfD. Geteilt zwischen offen rechtsradikalen Kräften und einem konservativ-bürgerlichen Flügel, ist ihr Einfluss auf die öffentliche Debatte spürbar gesunken. Sie bleiben reine Protestpartei.
Die ebenso deutlich gesunkene Durchschlagskraft der Linken in Deutschland spiegelt sich in ihrem schwachen Wahlergebnis. Ihre alt gewordene Wählerbasis aus der ehemaligen DDR schrumpft mit jedem Jahr. Als neue Kraft rückt eine studentische Linke nach, die kulturell mit den ehemaligen Kadern der DDR-Staatspartei nicht das Geringste zu tun hat. Die innerlich zerrissene Partei wird auf Bundesebene kein Teil einer Bundesregierung werden – sie kann froh sein, dass sie überhaupt noch dem neuen Parlament angehört.